Ich hab vor ein paar Tagen im Spiel und im englsichen Forum erwähnt, dass ich in die Alpen fahre, um einen guten, alten - man könnte sagen väterlichen - Freund auf einem Jagdausflug zu begleiten. Alter, lag ich daneben - doch dazu später mehr.
Alle Reaktionen waren "Mach viele Bilder und erzähl, wie es war!" - Also hab ich entschieden, genau das zu machen und einen Bericht abzuliefern. Hier ist er also. Und er ist ausführlich! :-)
Alles fing damit an, dass mein guter, alter Freund mich fragte, ob ich Lust hätte, ihn bei einem Jagdausflug in die Alpen zu begleiten. Ich habe lange Jahre in Alpennähe gewohnt (in einem Land, von der der Durchschnittstouri annimmt, die Kuckucksuhr käme daher), bin viel in den Bergen unterwegs gewesen und hab so einige Stücke der meisten dort vertretenen Wildarten zu Gesicht bekommen. Aber ich hab nie wirklich die Bergjagd aus der Nähe miterleben dürfen.
Also hab ich natürlich begeistert zugesagt, auch wenn mein Freund sich äusserst bedeckt hielt, keine Details verraten wollte und immer nur mit "Komm einfach, Du wirst's schon sehen" antwortete.
So haben wir uns an einem Treffpunkt gefunden und sind gemeinsam in die Berge gefahren. Als ich realisierte, dass unser Ziel Gerlos in Österreich sein würde, dämmerte mir zwar langsam was, doch war ich in keinster Weise darauf vorbereitet, was wirklich kommen sollte.
Wir fuhren am Ende des Dorfes eine Allee zu einem einsam liegenden Haus hinauf. Und davor stand das Auto meines Vaters.
Nachdem wir uns alle begrüsst hatten und endlich ein Kaltgetränk vor uns stand, haben mein Vater und unser gemeinsamer Freund mich in die Sache eingeweiht. Sie haben sich zusammen gegen mich verschworen, um mich in eine Falle zu locken, da sie wussten, dass ich vermutlich sonst abgelehnt hätte. I bin - obwohl ich keinerlei moralische Bedenken dagegen habe - kein grosser Freund von Jagdreisen und Bezahlabschüssen. Also mussten sie mich hereinlegen, um mich hier hin zu bekommen. Sie hatten diesen Trip geplant, um mich für 20 Jahre Dienste als Jagdhelfer und Obertreiber in ihrem gemeinsamen Revier zu belohnen. Und da es eine absolut einmalige Gelegenheit war. Zum Schluss fiel es mir also leicht, ihnen zu vergeben.
Wir waren in dem ehemaligen Jagdrevier von Krupp (bzw. Thyssen-Krupp), dass seit kurz nach Kriegsende v.a. durch Berthold Beiz bewirtschaftet wurde und ein erstklassiges Jagdrevier war, dass dazu diente, hochkarätige Kundschaft und
Geschäftspartner zu umwerben. Nach dem Bestechungsskandal letztes Jahr wurden sämtliche Aktivitäten, die mit lupenreiner Compliance kollidieren könnten, per sofort eingestellt, so auch die betriebseigenen Jagden. Aber Jagdpachten, Immobielen und Personal lassen sich nicht so einfach hopplahop abstossen bzw. kündigen und so existiert die Gerlosjagd weiter, auch wenn sie vom Betrieb nicht genutzt wird. Zumindest, bis eine endgültige Lösung gefunden wird.
Um das daraus entstehende Defizit in Grenzen zu halten, ist es weiterhin möglich, dort Abschüsse und Jagdreisen, sogar zu erstaunlich günstigen Konditionen zu buchen. Auf lange Sicht soll es ein kommerziell genutztes Privatrevier werden.
Da bereits mein Vater und mein Grossvater mehrmals in der Krupp-Jagd gejagt haben und ich das ganze aus Erzählungen zumindest ein bisschen kannte, war ich schon extrem neugierig, das ganze mal selbst zu erleben.
Das Krupp'sche Jagdrevier besteht aus bald einem Dutzend Einzelrevieren, die zusammen weit über 1200 Hektar Fläche rund um die Dörfer Gerlos, Königsleiten und Krimml haben und vom Alpenhauptkamm bis in die Kitzbühler Alpen reichen. Ein früherer Teil der südlichen Reviere ist vor ein paar Jahren zum Nationalpark Hohe Tauern eingegliedert worden. Zahlreiche Jagdhütten ständen ebenfalls zur Verfügung.
Eine Handvoll Berufsjäger kümmern sich um die Reviere und die Frau des Jagdleiters hat das Jagdhaus unter sich, ein wunderschönes Haus am Ortsrand, eingerahmt von hohen Bäumen, so dass man sich ganz allein auf der Welt vorkommt. Das Jagdhaus ist im klassischen Stil mit Jagd- und Bauernmöbeln eingerichtet und Trophäen aus dem Revier hängen überall, ob Birk- und Auerhahn, Murmel, Gams, Steinbock oder zahlreiche Hirsche. Das Essen, die Zimmer und der Service sind exzellent. Ich kam mir allerdings ziemlich blöd und fehl am Platz vor, wenn meine Bergschuhe nach jedem Pirschgang fein säuberlich geputzt wieder auf mich warteten.
Ein paar Eindrücke:
Mein Zimmer
Das Treppenhaus
Zufälliges Abendessen (Hirschkalbsteak mit Röstzwiebelausce, Bratkartoffeln und grünen Bohnen im Speckmantel)
Nachdem ich mich langsam mit der Idee, jetzt Luxusjäger zu sein, angefreundet hatte, durfte ich erfahren, dass ich je einen Hisch und einen Gams Klasse III frei hatte. Nun wurde ich wirklich aufgeregt, denn auch wenn ich in meiner Jugend in einem Revier unterwegs war, in dem Rotwild Wechselwild war und ich ein paar Gäste schon auf Rotwild geführt hatte, so hatte ich doch noch nie einen Hirsch frei. Und die Gamsjagd hab ich noch nichtmal von der Ferne gesehen.
Aber wat zuerst kütt, kütt zuerst: Also ab auf den Schiessstand um Waffe und unser Können zu testen. Ein kleines Holzhäuschen am Rande einer Schlucht beherbergt alles, was man dazu braucht: einen gescheiten Schiesstisch, digitale Treffererfassung und -darstellung und ein als Gesellenstück angefertigter Schiessbock.
Der Schiessstand von aussen
Scheibenschiessen (links 200m, rechts 300m)
Das ist doch mal nen Prachtstück!
Endlich ging es in's Revier und in meiner Aufregung hab ich meinen zugeteilten Berufsjäger, Wildmeister Franz genervt mit all meinen Fragen. Seine Tiroler Bracke "Bella", die sich bei mir auf dem Schoss zusammen gerollt hatte, während wir in die hintersten Ecken des Reviers fuhren, schien das nicht zu stören. Doch als das auto stoppte und die Tür aufging, da kam Leben in die knapp 3-jährige Dame!
Los ging es mit leichtem Anstieg durch ein Tal auf 1600 Meter und dann über die seitlichen Hänge zügig 300m weiter rauf, durch spärliche Latschen, Zirbenfelder und weite Heidelbeer- und Alpenrosenflächen in rollendes Gelände. Traumhaft schöne Landschaft! Wir sind dann weiter entlang der Bergflanke gepirscht, immer vorsichtig über den nächsten Hügel und die Rinnen hinauf und hinunter nach Wild spekulierend.
Recht schnell kamen wir an ein paar Gämsen, zuerst einen einzelnen Bock und bald darauf eine Schar Geissen und Jungwild. Aber heute galt es den Hirschen, und die standen vermutlich weiter den Hang entlang. Und tatsächlich, nicht weit unterhalb der Schar Junggämsen standen zwei Rotspiesser auf rund 300m. Die hatten uns aber schon spitz und sicherten beständig zu uns her.
Also sind wir ein wenig abgestiegen, um in Deckung zu gelangen und haben uns die Bergflanke entlang und in Deckung einiger Latschen wieder hinauf heran gearbeitet. In einer der dort stehenden Zirben war ein klassisch handgezimmerter Hochsitz, auf den wir uns hinauf schlichen. Die beiden Spiesser standen noch da und äugten aus 70m Distanz in den Hochsitz. Doch sie hielten uns aus. Deutlich weiter hinten hatte sich der Senior des Feistrudels nieder getan, ein mittelmässiger Zwölfer vom 8. bis 9. Kopf. Und weiter hinten, im Latschendickicht versteckt, standen zwei weitere Hirsche. Einer zeigte sich bald und erwies sich als schwacher Zehner vom 3. Kopf. Während ich mich fertig machte und für den Schuss richtete, zog der letzte Hirsch aus den Latschen und wir entschieden uns sofort um. Ein abnormer und auch schwacher Achter vom zweiten Kopf, dem nach einer Bastverletzung die linke Stange gebrochen und als Knauf vor das Licht gewachsen war. Also hab ich mich sofort fertig gemacht, eine stabile Schiessposition (Brett unter dem Ellbogen) eingenommen, meinen Atem beruhigt und das Ziel aufgenommen. Der Jäger wisperte mir zu: "Handbreit unter der Rückenlinie direkt hinter der Blattschaufel anhalten." und das Fadenkreuz wanderte in's Ziel. Ich hatte den feinen Rückstecher der Rößler Titan 6 kaum angehaucht, da brach der Schuss und die selbst geladene Nosler Accubond in 6.5x57 verliess den Lauf.
"Der hat die Kugel!" rief mein Jäger erfreut aus, während der Hirsch in hohen Fluchten einen Halbkreis schlug, um hinter ein paar bäumen und über eine Kuppe zu verschwinden. Die anderen Hirsche sprangen nervös ein paar Fluchten und sicherten dann unschlüssig in der Gegend herum, bevor sie nach ein paar Minuten auch abzogen. Was ein Anblick!
"Der Anschuss war auf 285 Meter, lassen Sie uns hingehen" meint Franz und wir baumen ab. Unten begrüsst uns erregt "Bella" und nach anstrengendem Durchsteigen eines Tobels stehen wir am Anschuss. Bella zieht zügig in der Fluchtfährte weg und nach keinen 100m stehen wir am längst verendeten Hirsch. Der Schuss sitzt mitten auf der Kammer direkt hinter dem Blatt. Genau wo er hin sollte und ein perfekter Küchenschuss. Ich war über alle Massen aus dem Häusschen! Mein erster Hirsch und alles lief perfekt!
Am Ende des Tales links...
Franz und "Bella" im Aufstieg
Eine einzelne Gams
"Bella" immer wachsam
Mein erster Hirsch!
Alles, was blieb, war die harte Arbeit, einen 100+ kg Hirsch den Berg hinab zu bringen und unten in Bachnähe aufzubrechen. Trotzdem waren wir die ersten am Jagdhaus, doch die anderen trudelten auch bald ein. Mein Vater hatte einen braven Erntebock geschossen und so wurde Strecke gelegt und verblasen.
Zu meiner Überraschung wurde ich im Anschluss von Wildmeister Franz brauchtumsgerecht mit drei Schlägen des Hirschfängers auf die Schulter zum gerechten Hirschjäger geschlagen. Stolz wie Oskar stand ich da.
Da hinunter müssen wir ihn ziehen...
Den Schöpfer im Geschöpfe ehren
Am nächsten Morgen stand dann Ansitzjagd auf dem Programm. Wir stiegen auf einen Hochsitz, eine wahnisnnig hoch an einer Kiefer montierte Bretterkiste, von dem aus wir einen Langen Schlag am gegenüberliegenden Hang einsehen konnten, der teilweise schon wieder recht verbuscht war.
Leider hatte das Wetter umgeschlagen und der Nebel zog immer wieder in grossen Schwaden die Bergflanken entlang, so dass alles was in Anblick kam, ein junger Bock war, der trotz Blattzeitende die Brautschau noch nicht ganz aufgegeben hatte.
Auch Rehe können klettern...
Auf Brautschau
Nebel im Schlag
Ein abnormer, 6-jähriger Gamsbock, den mein Vater an dem Morgen zur Strecke brachte
Am nächsten Morgen wechselte dann mein Jäger und ich ging mit Armin auf die Pirsch, da es als aussichtsreicher angesehen wirde, den Gemsen im hochalpinen Gelände nachzustellen.
Wir fuhren also in's "Teufelstal", um zuerst vom Talende aus die umliegenden Hänge abzuspekulieren und die heutigen Einstände auszumachen, bevor wir schussbares Wild angehen würden. Doch nicht nur zog der Nebel immer wieder in leichten Fetzen durch das Tal, sondern auch wurden unsere Pläne abrupt unterprochen, als wir eine Gruppe von Touristen genau im Zielgelände ausmachten. Während wir gerade die Situation diskutierten, klingelte Armins Hand. Als Mitglied der örtlichen Bergrettung wurde er darüber informiert, dass eine 6-köpfige Niederländische Familie in Bergnot geraten war und einen Notruf abgesetzt hatte. Genau die Personen, die wir gerade ausgemacht hatten. Wir versuchten also, mit ihnen zu kommunizieren und ihnen zu sagen, dass sie bleiben sollten, wo sie sind, bis Hilfe kommt. Dann haben wir auf das Rettungsteam gewartet, dieses eingewiesen und von unserem Standpunkt aus die ganze Aktion überwacht.
Zwischendurch haben wir zwar zahlreiche Tiere ausmachen können -vermutlich rund je ein Dutzend Stücke Reh- und Rotwild sowie zwei Dutzend Gemsen- doch aufgrund des Theaters am Talboden standen diese alle weit oben in den Hängen und waren für uns nicht zu erreichen. Nachdem die Holländische Familie (natürlcih in T-Shirt und kurzen Hosen bekleidet um alle Klischees zu erfüllen) in Sicherheit war, gaben wir es also für heute dran.
Ein weiteres Mal rettete mein Vater mit dem Abschuss eines Methusalems von einem Rehbock die Ehre der Kompanie.
Die Holländische Familie an einem Ort, wo sie sicher nicht hin wollten
Planung der Rettung
Unser Zielgebiet, das "Teufelstal"
Spekulieren
Gams auf dem Grat, rund 1 km weg
Der Bock meines Vaters
Am nächsten Tag stand wieder Steigen auf dem Programm. Hinauf ging es auf fast 2200m, um Gämsen zu finden. Doch neben einer Geiss mit Kitz und Jährlich, die äussert flott im Aufstieg an uns vorbei zogen, haben wir keine zu Gesicht bekommen. Der Nebel war wieder hinein gezogen und alles, was wir sahen, waren ein paar Murmel. Trotzdem war es wieder wunderschön dort oben und die schweren Beine am Ende trugen dazu bei, das deftige und üppige Früstück mit Eiern und Speck und allem Drum und Dran in vollen Zügen zu geniessen.
Eine Murmelkatze oben auf dem felsen
Aufstieg
Vielleicht sieht man ja doch was durch den Nebel...
Am Nachmittag ging es dann nochmals in's Teufelstal, doch obwohl wir einigen Anblick hatten, gab es keine Chance an irgend etwas heran zu kommen. Zu weit weg und zu hoch oben standen die meisten Stücke und der Nebel war zu dicht und unberechenbar. Wir kehrten also wieder als Schneider heim und mein Vater musste erneut den Tag mit dem Abschuss eines Hirschkalbs retten.
Der Nebel herrscht erneut im Teufelstal
Gams im Nebel rund 400m über uns
Ein Rothirsch auf gut 700m auf der anderen Talseite
Am nächsten Morgen bot sich die letzte Change vor der Abreise, noch eine Gams zu bekommen und so galt es. Wir fuhren in aller Herrgottsfrühe hoch hinauf in die alpinen Regionen und stiegen noch im Licht der Stirnlampen in einen weiten Talkessel, wo wir hinter einem Holzstapel stellung bezogen um auf das Büchsenlicht zu warten.
Mit dem ersten Licht zogen zwei typische Klasse III Gamsböcke über den Horizont in die Hänge am anderen Ende des Kessels. Nach einiger Spekulierarbeit war klar: die passen. Und so entschieden wir uns, es zu versuchen und in weitem Bogen in die Deckung eines kleinen Rückens zwischen uns und die Gämsen zu kommen, damit wir sie geschützt angehen könnten. Doch manchmal ist einem Diana einfach nicht hold, und 20m bevor wir den Grat endlich erreicht hätten, sah ich nach hinten und meinte nur "Armin, schauen Sie mal, was da kommt."
Seine Reaktion bleibt unter uns und wäre eh nicht jugendfrei. Hinter uns kroch der Nebel mit erstaunlicher Geschwindigkeit die Bergflanken hoch und verschlang die zwei Gamsböcke genau in dem Moment, wo sie wieder in unsere Sicht kamen. Alles, was uns übrig blieb, war ihre schemenhaften Umrisse über den Grat in die nächsten Täler verschwinden zu sehen. Doch als ob das nicht schon genug wäre, setze just in dem Moment, wo wir ratlos da sassen, Schneefall ein und binnen Minuten war die Landschaft inklusive uns weiss überzuckert.
Wir nahmen das als Zeichen von oben, dass es Sachen gibt, die einfach nicht sein sollten und beschlossen, den Rückwechsel anzutreten. Beim Hinabsteigen versüsste uns dann noch der Anblick einer Ricke (Entschuldigung: Reh-Geiss natürlich) und eines jungen Zukunfts-Gamsbockes den Tag.
Für den Moment noch über dem Nebel...
(Ganz nebenbei bemerkt sahen wir drei Hirsche über den felsigen Grat zwischen den beiden schroffen Berggipfeln rechts ziehen - ein wunderschöner Anblick auf über 3 km Entfernung)
Spekulieren - die Hauptaktivität bei der Bergjagd
Da sind sie (irgendwo in der Flanke in der Mitte des Bildes)
Schnell hinkommen
Blick zurück durch die Wolken
Obwohl ich meinen Gamsbock nicht bekommen habe, gibt es wirklich nichts zu bereuen und ich hatte die fantastischste Zeit in den Bergen, die ich mir vorstellen kann. Ich bin sowieso keiner, für den das Strecke Machen Priorität hat.
Und ich hab meinen ersten Hirsch geschossen!
Ich fürchte, ich bin auf den Geschmack gekommen... :-D
Weitere Impressionen:
Saubere Schuhe
Der Speichersee in Gerlos mit Reichenspitze Wildgerloskees-Gletscher, die in den Wolken verschwinden
Die Krimml-Fälle
Aussicht aus dem Teufelstal
Und wieder mal Nebel
Die Schönheit des Nebels
Hirschjägerhosen
Alle Reaktionen waren "Mach viele Bilder und erzähl, wie es war!" - Also hab ich entschieden, genau das zu machen und einen Bericht abzuliefern. Hier ist er also. Und er ist ausführlich! :-)
Alles fing damit an, dass mein guter, alter Freund mich fragte, ob ich Lust hätte, ihn bei einem Jagdausflug in die Alpen zu begleiten. Ich habe lange Jahre in Alpennähe gewohnt (in einem Land, von der der Durchschnittstouri annimmt, die Kuckucksuhr käme daher), bin viel in den Bergen unterwegs gewesen und hab so einige Stücke der meisten dort vertretenen Wildarten zu Gesicht bekommen. Aber ich hab nie wirklich die Bergjagd aus der Nähe miterleben dürfen.
Also hab ich natürlich begeistert zugesagt, auch wenn mein Freund sich äusserst bedeckt hielt, keine Details verraten wollte und immer nur mit "Komm einfach, Du wirst's schon sehen" antwortete.
So haben wir uns an einem Treffpunkt gefunden und sind gemeinsam in die Berge gefahren. Als ich realisierte, dass unser Ziel Gerlos in Österreich sein würde, dämmerte mir zwar langsam was, doch war ich in keinster Weise darauf vorbereitet, was wirklich kommen sollte.
Wir fuhren am Ende des Dorfes eine Allee zu einem einsam liegenden Haus hinauf. Und davor stand das Auto meines Vaters.
Nachdem wir uns alle begrüsst hatten und endlich ein Kaltgetränk vor uns stand, haben mein Vater und unser gemeinsamer Freund mich in die Sache eingeweiht. Sie haben sich zusammen gegen mich verschworen, um mich in eine Falle zu locken, da sie wussten, dass ich vermutlich sonst abgelehnt hätte. I bin - obwohl ich keinerlei moralische Bedenken dagegen habe - kein grosser Freund von Jagdreisen und Bezahlabschüssen. Also mussten sie mich hereinlegen, um mich hier hin zu bekommen. Sie hatten diesen Trip geplant, um mich für 20 Jahre Dienste als Jagdhelfer und Obertreiber in ihrem gemeinsamen Revier zu belohnen. Und da es eine absolut einmalige Gelegenheit war. Zum Schluss fiel es mir also leicht, ihnen zu vergeben.
Wir waren in dem ehemaligen Jagdrevier von Krupp (bzw. Thyssen-Krupp), dass seit kurz nach Kriegsende v.a. durch Berthold Beiz bewirtschaftet wurde und ein erstklassiges Jagdrevier war, dass dazu diente, hochkarätige Kundschaft und
Geschäftspartner zu umwerben. Nach dem Bestechungsskandal letztes Jahr wurden sämtliche Aktivitäten, die mit lupenreiner Compliance kollidieren könnten, per sofort eingestellt, so auch die betriebseigenen Jagden. Aber Jagdpachten, Immobielen und Personal lassen sich nicht so einfach hopplahop abstossen bzw. kündigen und so existiert die Gerlosjagd weiter, auch wenn sie vom Betrieb nicht genutzt wird. Zumindest, bis eine endgültige Lösung gefunden wird.
Um das daraus entstehende Defizit in Grenzen zu halten, ist es weiterhin möglich, dort Abschüsse und Jagdreisen, sogar zu erstaunlich günstigen Konditionen zu buchen. Auf lange Sicht soll es ein kommerziell genutztes Privatrevier werden.
Da bereits mein Vater und mein Grossvater mehrmals in der Krupp-Jagd gejagt haben und ich das ganze aus Erzählungen zumindest ein bisschen kannte, war ich schon extrem neugierig, das ganze mal selbst zu erleben.
Das Krupp'sche Jagdrevier besteht aus bald einem Dutzend Einzelrevieren, die zusammen weit über 1200 Hektar Fläche rund um die Dörfer Gerlos, Königsleiten und Krimml haben und vom Alpenhauptkamm bis in die Kitzbühler Alpen reichen. Ein früherer Teil der südlichen Reviere ist vor ein paar Jahren zum Nationalpark Hohe Tauern eingegliedert worden. Zahlreiche Jagdhütten ständen ebenfalls zur Verfügung.
Eine Handvoll Berufsjäger kümmern sich um die Reviere und die Frau des Jagdleiters hat das Jagdhaus unter sich, ein wunderschönes Haus am Ortsrand, eingerahmt von hohen Bäumen, so dass man sich ganz allein auf der Welt vorkommt. Das Jagdhaus ist im klassischen Stil mit Jagd- und Bauernmöbeln eingerichtet und Trophäen aus dem Revier hängen überall, ob Birk- und Auerhahn, Murmel, Gams, Steinbock oder zahlreiche Hirsche. Das Essen, die Zimmer und der Service sind exzellent. Ich kam mir allerdings ziemlich blöd und fehl am Platz vor, wenn meine Bergschuhe nach jedem Pirschgang fein säuberlich geputzt wieder auf mich warteten.
Ein paar Eindrücke:
Mein Zimmer
Das Treppenhaus
Zufälliges Abendessen (Hirschkalbsteak mit Röstzwiebelausce, Bratkartoffeln und grünen Bohnen im Speckmantel)
Nachdem ich mich langsam mit der Idee, jetzt Luxusjäger zu sein, angefreundet hatte, durfte ich erfahren, dass ich je einen Hisch und einen Gams Klasse III frei hatte. Nun wurde ich wirklich aufgeregt, denn auch wenn ich in meiner Jugend in einem Revier unterwegs war, in dem Rotwild Wechselwild war und ich ein paar Gäste schon auf Rotwild geführt hatte, so hatte ich doch noch nie einen Hirsch frei. Und die Gamsjagd hab ich noch nichtmal von der Ferne gesehen.
Aber wat zuerst kütt, kütt zuerst: Also ab auf den Schiessstand um Waffe und unser Können zu testen. Ein kleines Holzhäuschen am Rande einer Schlucht beherbergt alles, was man dazu braucht: einen gescheiten Schiesstisch, digitale Treffererfassung und -darstellung und ein als Gesellenstück angefertigter Schiessbock.
Der Schiessstand von aussen
Scheibenschiessen (links 200m, rechts 300m)
Das ist doch mal nen Prachtstück!
Endlich ging es in's Revier und in meiner Aufregung hab ich meinen zugeteilten Berufsjäger, Wildmeister Franz genervt mit all meinen Fragen. Seine Tiroler Bracke "Bella", die sich bei mir auf dem Schoss zusammen gerollt hatte, während wir in die hintersten Ecken des Reviers fuhren, schien das nicht zu stören. Doch als das auto stoppte und die Tür aufging, da kam Leben in die knapp 3-jährige Dame!
Los ging es mit leichtem Anstieg durch ein Tal auf 1600 Meter und dann über die seitlichen Hänge zügig 300m weiter rauf, durch spärliche Latschen, Zirbenfelder und weite Heidelbeer- und Alpenrosenflächen in rollendes Gelände. Traumhaft schöne Landschaft! Wir sind dann weiter entlang der Bergflanke gepirscht, immer vorsichtig über den nächsten Hügel und die Rinnen hinauf und hinunter nach Wild spekulierend.
Recht schnell kamen wir an ein paar Gämsen, zuerst einen einzelnen Bock und bald darauf eine Schar Geissen und Jungwild. Aber heute galt es den Hirschen, und die standen vermutlich weiter den Hang entlang. Und tatsächlich, nicht weit unterhalb der Schar Junggämsen standen zwei Rotspiesser auf rund 300m. Die hatten uns aber schon spitz und sicherten beständig zu uns her.
Also sind wir ein wenig abgestiegen, um in Deckung zu gelangen und haben uns die Bergflanke entlang und in Deckung einiger Latschen wieder hinauf heran gearbeitet. In einer der dort stehenden Zirben war ein klassisch handgezimmerter Hochsitz, auf den wir uns hinauf schlichen. Die beiden Spiesser standen noch da und äugten aus 70m Distanz in den Hochsitz. Doch sie hielten uns aus. Deutlich weiter hinten hatte sich der Senior des Feistrudels nieder getan, ein mittelmässiger Zwölfer vom 8. bis 9. Kopf. Und weiter hinten, im Latschendickicht versteckt, standen zwei weitere Hirsche. Einer zeigte sich bald und erwies sich als schwacher Zehner vom 3. Kopf. Während ich mich fertig machte und für den Schuss richtete, zog der letzte Hirsch aus den Latschen und wir entschieden uns sofort um. Ein abnormer und auch schwacher Achter vom zweiten Kopf, dem nach einer Bastverletzung die linke Stange gebrochen und als Knauf vor das Licht gewachsen war. Also hab ich mich sofort fertig gemacht, eine stabile Schiessposition (Brett unter dem Ellbogen) eingenommen, meinen Atem beruhigt und das Ziel aufgenommen. Der Jäger wisperte mir zu: "Handbreit unter der Rückenlinie direkt hinter der Blattschaufel anhalten." und das Fadenkreuz wanderte in's Ziel. Ich hatte den feinen Rückstecher der Rößler Titan 6 kaum angehaucht, da brach der Schuss und die selbst geladene Nosler Accubond in 6.5x57 verliess den Lauf.
"Der hat die Kugel!" rief mein Jäger erfreut aus, während der Hirsch in hohen Fluchten einen Halbkreis schlug, um hinter ein paar bäumen und über eine Kuppe zu verschwinden. Die anderen Hirsche sprangen nervös ein paar Fluchten und sicherten dann unschlüssig in der Gegend herum, bevor sie nach ein paar Minuten auch abzogen. Was ein Anblick!
"Der Anschuss war auf 285 Meter, lassen Sie uns hingehen" meint Franz und wir baumen ab. Unten begrüsst uns erregt "Bella" und nach anstrengendem Durchsteigen eines Tobels stehen wir am Anschuss. Bella zieht zügig in der Fluchtfährte weg und nach keinen 100m stehen wir am längst verendeten Hirsch. Der Schuss sitzt mitten auf der Kammer direkt hinter dem Blatt. Genau wo er hin sollte und ein perfekter Küchenschuss. Ich war über alle Massen aus dem Häusschen! Mein erster Hirsch und alles lief perfekt!
Am Ende des Tales links...
Franz und "Bella" im Aufstieg
Eine einzelne Gams
"Bella" immer wachsam
Mein erster Hirsch!
Alles, was blieb, war die harte Arbeit, einen 100+ kg Hirsch den Berg hinab zu bringen und unten in Bachnähe aufzubrechen. Trotzdem waren wir die ersten am Jagdhaus, doch die anderen trudelten auch bald ein. Mein Vater hatte einen braven Erntebock geschossen und so wurde Strecke gelegt und verblasen.
Zu meiner Überraschung wurde ich im Anschluss von Wildmeister Franz brauchtumsgerecht mit drei Schlägen des Hirschfängers auf die Schulter zum gerechten Hirschjäger geschlagen. Stolz wie Oskar stand ich da.
Da hinunter müssen wir ihn ziehen...
Den Schöpfer im Geschöpfe ehren
Am nächsten Morgen stand dann Ansitzjagd auf dem Programm. Wir stiegen auf einen Hochsitz, eine wahnisnnig hoch an einer Kiefer montierte Bretterkiste, von dem aus wir einen Langen Schlag am gegenüberliegenden Hang einsehen konnten, der teilweise schon wieder recht verbuscht war.
Leider hatte das Wetter umgeschlagen und der Nebel zog immer wieder in grossen Schwaden die Bergflanken entlang, so dass alles was in Anblick kam, ein junger Bock war, der trotz Blattzeitende die Brautschau noch nicht ganz aufgegeben hatte.
Auch Rehe können klettern...
Auf Brautschau
Nebel im Schlag
Ein abnormer, 6-jähriger Gamsbock, den mein Vater an dem Morgen zur Strecke brachte
Am nächsten Morgen wechselte dann mein Jäger und ich ging mit Armin auf die Pirsch, da es als aussichtsreicher angesehen wirde, den Gemsen im hochalpinen Gelände nachzustellen.
Wir fuhren also in's "Teufelstal", um zuerst vom Talende aus die umliegenden Hänge abzuspekulieren und die heutigen Einstände auszumachen, bevor wir schussbares Wild angehen würden. Doch nicht nur zog der Nebel immer wieder in leichten Fetzen durch das Tal, sondern auch wurden unsere Pläne abrupt unterprochen, als wir eine Gruppe von Touristen genau im Zielgelände ausmachten. Während wir gerade die Situation diskutierten, klingelte Armins Hand. Als Mitglied der örtlichen Bergrettung wurde er darüber informiert, dass eine 6-köpfige Niederländische Familie in Bergnot geraten war und einen Notruf abgesetzt hatte. Genau die Personen, die wir gerade ausgemacht hatten. Wir versuchten also, mit ihnen zu kommunizieren und ihnen zu sagen, dass sie bleiben sollten, wo sie sind, bis Hilfe kommt. Dann haben wir auf das Rettungsteam gewartet, dieses eingewiesen und von unserem Standpunkt aus die ganze Aktion überwacht.
Zwischendurch haben wir zwar zahlreiche Tiere ausmachen können -vermutlich rund je ein Dutzend Stücke Reh- und Rotwild sowie zwei Dutzend Gemsen- doch aufgrund des Theaters am Talboden standen diese alle weit oben in den Hängen und waren für uns nicht zu erreichen. Nachdem die Holländische Familie (natürlcih in T-Shirt und kurzen Hosen bekleidet um alle Klischees zu erfüllen) in Sicherheit war, gaben wir es also für heute dran.
Ein weiteres Mal rettete mein Vater mit dem Abschuss eines Methusalems von einem Rehbock die Ehre der Kompanie.
Die Holländische Familie an einem Ort, wo sie sicher nicht hin wollten
Planung der Rettung
Unser Zielgebiet, das "Teufelstal"
Spekulieren
Gams auf dem Grat, rund 1 km weg
Der Bock meines Vaters
Am nächsten Tag stand wieder Steigen auf dem Programm. Hinauf ging es auf fast 2200m, um Gämsen zu finden. Doch neben einer Geiss mit Kitz und Jährlich, die äussert flott im Aufstieg an uns vorbei zogen, haben wir keine zu Gesicht bekommen. Der Nebel war wieder hinein gezogen und alles, was wir sahen, waren ein paar Murmel. Trotzdem war es wieder wunderschön dort oben und die schweren Beine am Ende trugen dazu bei, das deftige und üppige Früstück mit Eiern und Speck und allem Drum und Dran in vollen Zügen zu geniessen.
Eine Murmelkatze oben auf dem felsen
Aufstieg
Vielleicht sieht man ja doch was durch den Nebel...
Am Nachmittag ging es dann nochmals in's Teufelstal, doch obwohl wir einigen Anblick hatten, gab es keine Chance an irgend etwas heran zu kommen. Zu weit weg und zu hoch oben standen die meisten Stücke und der Nebel war zu dicht und unberechenbar. Wir kehrten also wieder als Schneider heim und mein Vater musste erneut den Tag mit dem Abschuss eines Hirschkalbs retten.
Der Nebel herrscht erneut im Teufelstal
Gams im Nebel rund 400m über uns
Ein Rothirsch auf gut 700m auf der anderen Talseite
Am nächsten Morgen bot sich die letzte Change vor der Abreise, noch eine Gams zu bekommen und so galt es. Wir fuhren in aller Herrgottsfrühe hoch hinauf in die alpinen Regionen und stiegen noch im Licht der Stirnlampen in einen weiten Talkessel, wo wir hinter einem Holzstapel stellung bezogen um auf das Büchsenlicht zu warten.
Mit dem ersten Licht zogen zwei typische Klasse III Gamsböcke über den Horizont in die Hänge am anderen Ende des Kessels. Nach einiger Spekulierarbeit war klar: die passen. Und so entschieden wir uns, es zu versuchen und in weitem Bogen in die Deckung eines kleinen Rückens zwischen uns und die Gämsen zu kommen, damit wir sie geschützt angehen könnten. Doch manchmal ist einem Diana einfach nicht hold, und 20m bevor wir den Grat endlich erreicht hätten, sah ich nach hinten und meinte nur "Armin, schauen Sie mal, was da kommt."
Seine Reaktion bleibt unter uns und wäre eh nicht jugendfrei. Hinter uns kroch der Nebel mit erstaunlicher Geschwindigkeit die Bergflanken hoch und verschlang die zwei Gamsböcke genau in dem Moment, wo sie wieder in unsere Sicht kamen. Alles, was uns übrig blieb, war ihre schemenhaften Umrisse über den Grat in die nächsten Täler verschwinden zu sehen. Doch als ob das nicht schon genug wäre, setze just in dem Moment, wo wir ratlos da sassen, Schneefall ein und binnen Minuten war die Landschaft inklusive uns weiss überzuckert.
Wir nahmen das als Zeichen von oben, dass es Sachen gibt, die einfach nicht sein sollten und beschlossen, den Rückwechsel anzutreten. Beim Hinabsteigen versüsste uns dann noch der Anblick einer Ricke (Entschuldigung: Reh-Geiss natürlich) und eines jungen Zukunfts-Gamsbockes den Tag.
Für den Moment noch über dem Nebel...
(Ganz nebenbei bemerkt sahen wir drei Hirsche über den felsigen Grat zwischen den beiden schroffen Berggipfeln rechts ziehen - ein wunderschöner Anblick auf über 3 km Entfernung)
Spekulieren - die Hauptaktivität bei der Bergjagd
Da sind sie (irgendwo in der Flanke in der Mitte des Bildes)
Schnell hinkommen
Blick zurück durch die Wolken
Obwohl ich meinen Gamsbock nicht bekommen habe, gibt es wirklich nichts zu bereuen und ich hatte die fantastischste Zeit in den Bergen, die ich mir vorstellen kann. Ich bin sowieso keiner, für den das Strecke Machen Priorität hat.
Und ich hab meinen ersten Hirsch geschossen!
Ich fürchte, ich bin auf den Geschmack gekommen... :-D
Weitere Impressionen:
Saubere Schuhe
Der Speichersee in Gerlos mit Reichenspitze Wildgerloskees-Gletscher, die in den Wolken verschwinden
Die Krimml-Fälle
Aussicht aus dem Teufelstal
Und wieder mal Nebel
Die Schönheit des Nebels
Hirschjägerhosen
...Doc, ehrlich... Ich war's nicht!